S. Hl. Patriarch Kirill von Moskau und der ganzen Rus’
Tief bin ich betroffen von der Nachricht vom Hinscheiden von Erzbischof Longin von Klin, dem Patriarchalvikar und Vertreter der Russischen orthodoxen Kirche in Deutschland.
Das Hinscheiden von Vladyka Longin ist ein großer Verlust für die Russische Orthodoxe Kirche und persönlich für mich, denn uns verbinden Bande freundschaftlicher Gemeinschaft im Lauf3 vieler Jahrzehnte. Wir hatten einen gemeinsamen geistlichen Vater – den Metropoliten von Leningrad und Novgorod Nikodim ewigen Gedwenkens. Aus seiner Hand haben wir in einem Jahr die Tonsur zum Mönch und die Weihe in den priesterlichen Stand erhalten. Es war dies eine Zeit nicht geringer Prüfungen für unsere Kirche, die Mut von jedem erforderte, der beschloss, sein Leben dem Dienst n Gott und an den Menschen zu weihen.
Da ich den Vladyka viele Jahre kannte, kann ich bezeugen, dass er immerdar danach strebte, mit Hingabe zu dienen und verantwortungsvoll alle ihm von der Kirchenleitung auferlegten Aufgaben erfüllte.
Als Kleriker und dann auch Vorsteher der Obhut-Patriarchalgemeinde in Helsinki hat Vater Longin viel dafür getan, dass die geistliche und kanonische Verbindung dieser Gemeinde mit dem Patriarchenstuhl erhalten blieb.
All sein weiterer Dienst vollzog sich in Deutschland, wo er Dekan der Düsseldorfer Diözese des Mitteleuropäischen Exarchats war und das Gemeindeleben beträchtlich aktivisierte. Als er Bischof geworden war, hat Bischof Longin unsere Kirche würdig in den Wechselbeziehungen mit staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen und mit den anderen christlichen Konfessionen Deutschlands vertreten. In den für unser Land ökonomisch schwierigen 90-er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat er einen großen Beitrag bei der Organisation und dem Erwerb der humanitären Hilfe geleistet, welche die Kirche den bedürftigen Menschen übermittelte. Der verstorbene Erzhirte nahm immer tätigen Anteil am Leben der Mutterkirche und nahm sich die in unserem Lande vorgehenden Ereignisse eng zu Herzen.
Der Herr hat den Vladyka mit einer tödlichen Krankheit heimgesucht, die er mit christlicher Demut und Hingabe an den Willen Gottes ertrug. Unbeschadet seiner Krankheit fuhr der verstorbene Hierarch fort, weiterhin aktiv zu arbeiten, wirkte eng mit mir bei verschiedenen Fragen zusammen, die eine wichtige Bedeutung für die Kirche hatten und vollzog regelmäßig die Gottesdienste, wobei er aus ihnen geistliche Kräfte schöpfte und Tröstung empfing.
Die Mühen des Erzhirten viele Jahre hindurch waren erfolgreich und fruchtbar. Er erwarb die aufrichtige Liebe des Klerus, der Herde und seiner geistlichen Kinder.
Eine besondere Dankbarkeit und Unterstützung möchte ich dem ausdrücken, der an der Seite des Leidenden hochwürdigsten Vladyka bis zu den letzten Tagen seines Lebens war.
Jetzt, da wir ihn begleiten auf dem Weg aller Erde, gebe ich dem Verstorbenen in Gedanken den Kuss und bete für die Seelenruhe des neu verschiedenen Erzbischofs Longin in den Wohnungen der Gerechten.
Ich glaube, dass er für seine langjährigen eifrigen Mühen im Raum der Kirche gewürdigt wird, die ersehnte Stimme zu hören: “In Kleinem bist du treu gewesen, über vieles will Ich dich setzen; gehe ein in die Freude deines Herrn!” (Mt 25,21)
Metropolit Ilarion von Volokolamsk, Vorsitzender des Außenamtes der Russischen Orthodoxen Kirche (beim Totengottesdienst)
Heute, da die eilige Orthodoxe Kirche das Entschlafen der allheiligen Gottesgebärerin feiert, haben wir uns am Grabe unseres Mitbruders, des hochwürdigen Erzbischofs Longin versammelt, um ihm den letzten Kuss zu geben und ihn auf dem letzten Weg zu begleiten.
Nicht von ungefähr nennen wir das Ende der allheiligen Gottesgebärerin nicht Tod, sondern Entschlafen, denn wenn die allheilige Gottesgebärerin auch mit ihrem irdischen Leib entschlief, so ging ihre Seele in das Ewige Leben ein und wurde übergeben unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus selbst, der sie an dem Übergang zum Tode empfing. So ist auch der Tod eines jeden Christen kein Ende, sondern ein Entschlafen: Mit seinem menschlichen Leib stirbt der Christ, aber seine Seele geht ein in das ewige Leben und wird vom Herrn Jesus Christus selbst empfangen. In besonderem Maße gilt dies für einen Diener Christi, einen Menschen, der sein ganzes Leben dahin gegeben hat, um Gott zu dienen.
Wenn wir jetzt den Abgesang unseres lieben Bruders vollziehen, so danken wir Gott für das Wirken seines Lebens, für seinen pastoralen Dienst im Verlaufe vieler Jahrzehnte, für seine Treue zu Christus dem Erlöser und seine Liebe zu den Menschen. Wir wollen Herrn bitten, dass Er ihm all seine absichtlichen und unabsichtlichen Versündigungen verzeihe, denn es gibt ja “keinen Menschen, der lebt und nicht sündigt”. Lasst uns beten, dass der Herr vor dem hochwürdigsten Erzbischof Longin die Pforten des Paradieses öffne und ihm das Himmelreich schenke, aber hier auf Erden das Ewige Gedenken!
Heute, da wir unseren Mitbruder auf dem letzten Weg begleiten, steht sein ganzes Leben vor uns, welches zu einem Weg des Dienstes an Gott und des Dienstes an den Menschen wurde.
Das ganze Leben des hochwürdigsten Erzbischofs Longin war ein Kreuzweg, denn schon von Jugend an suchte ihn der Herr mit Krankheit heim, die im Laufe einiger Jahrzehnte seinen Organismus schwächte und lähmte. der Bischof hatte ungefähr fünfzig Operationen zu ertragen. Wir sahen ihn manchmal auf Krücken oder im Rollstuhl, aber er kam immer wieder ins Leben zurück und unterbrach seinen aktiven kirchlichen Dienst auch dann nicht, wenn er in körperlicher Hilflosigkeit blieb. Unbeschadet der andauernden physischen Schmerzen, die er erlitt, war Bischof Longin ein Mensch, der im Geiste erstrahlte, ein Mensch flammenden Gebetes und tiefer christlicher Frömmigkeit. Er liebte das Gotteshaus, liebte den göttlichen Dienst und war bemüht, so oft wie möglich, nach Möglichkeit täglich, die Liturgie zu vollziehen, denn vom Altar selbst und dem Quell des Lebens, dem Herrn Jesus Christus, schöpfte er durch den Empfang der heiligen Mysterien Christi die Kräfte, die für seinen Dienst ihm unersetzlich waren.
Vladyka Longin war ein Mensch von unerschütterlichem Optimismus. Ohne auf die ihn heimsuchenden Schmerzen zu achten, hat er in seinem Leben unverändert das Gebot des Apostels Paulus erfüllt’ “Freuet euch immerdar!” (1 Thess 5,16) Dieser Geist der Freude teilte sich auch allen ihn umgebenden Menschen mit. Er war ein Mensch, der nicht einen einzigen Tag im Nichtstun verbrachte, der immer sich um die Kirche sorgte, immer dachte, was man noch tun könnte, um die Kirche zu bekleben, zu stärken, aufblühen zu lassen.
Aber für ihn existierte die Kirche nicht nur in kirchlichen Gebäuden und verschiedenen kirchlichen Veranstaltungen. Die Kirche, das sind vor allem die lebendigen Menschen. Und jene, die Erzbischof Longin umgaben, seine zahlreiche Herde .- sie alle fühlten sein tiefes und gutes Herz. seine Herzensgüte erstreckte sich auf sehr viele Menschen. wenn er davon hörte, dass irgendjemand irgendwo leide, so erfüllte sich das Herz des Erzhirten mit Mitleid. Wenn bekannt wurde, dass irgendjemand medizinische Hilfe brauchte, so war er bemüht, heraus zu finden, wie die Hilfe sein könne, denn er wusste von sich selbst, wie stark die Menschen ihrer bedürfen. Als Vladyka von dem Unglück in Černobyl’ erfuhr, nahm er zur Erziehung unter seine persönliche Fürsorge Kinder aus Černobyl’ auf, suchte nach Mitteln, um auch die schwierigsten chirurgischen Operationen ermöglichen zu können. Er stellte diese Kinder auf die Füße – und heute beten sie, schon erwachsen, zusammen mit uns, begleiten ihn, ihren Vater auf dem letzten Weg.
Und jene von uns, die Freunde von Vlayka Longin waren, bewahrwen immerdar in ihren herzen sein helles Bild.
Metropolit Augoustinos von Deutschland Exarch von Zentraleuropa Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD)
Als Metropolit Filaret von Minsk mich zusammen mit dem damaligen serbischen Bischof von Mitteleuropa Lavrentije zur gemeinsamen Zelebration der Göttlichen Liturgie am 11. Oktober 1981 in Düsseldorf einlud, konnte ich nicht ahnen, dass dieser Tag zum Beginn einer neuen Epoche für die Orthodoxe Kirche in Deutschland werden sollte. Im Verlauf dieser Liturgie wurde nämlich der junge Archimandrit Longin Talypin zum Bischof geweiht und seine Bischofsweihe war die erste in Deutschland, an der Vertreter mehrerer orthodoxer autokephaler Kirchen teilnahmen.
Dieses panorthodoxe Element sollte in den kommenden Jahren kennzeichnend für Bischof bzw. Erzbischof Longin sein, der alsbald in verschiedenen Positionen die Vertretung der russischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats in Deutschland übernahm.
Von diesem Datum an bis zu den letzten Wochen vor seinem Tod wurde Vladyka Longin für mich persönlich, aber auch für die Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland (KOKiD) und später die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD) zu einem treuen Wegbegleiter und Mitstreiter für die heilige Sache der orthodoxen Präsenz und der orthodoxen Einheit in unserem Land. Neben den vielfältigen Aufgaben seines bischöflichen Dienstes und der Vertretung seiner Mutterkirche in der deutschen kirchlichen, politischen und kulturellen Öffentlichkeit in der Zeit der Perestroika und des postsowjetischen Neuanfangs war es dieses gesamtorthodoxe Zeugnis, das für sein Leben und sein Wirken kennzeichnend wurde. Immer wieder wurde dies in seiner langjährigen Tätigkeit als stellvertretender Vorsitzender der Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland offenbar und dementsprechend von vielen besonders gewürdigt und geschätzt.
Es ist sicherlich noch zu früh, das Lebenswerk dieses unermüdlichen Brückenbauers in seiner Gesamtheit zu würdigen. Es steht für mich allerdings außer Frage, dass dieses besondere Gespür unseres verstorbenen Mitbruders für den orthodoxen oder nicht-orthodoxen Nachbarn in seiner Herkunft aus der befruchtenden Diaspora-Situation der geliebten finnischen Heimat begründet war. So bleiben seine vor wenigen Wochen geschriebenen Worte der Mahnung zur Eintracht, die er aus Anlass des Konfliktes in der Ukraine verfasste, wie ein Vermächtnis an uns erhalten.
„Unsere Gemeinde ist eine multinationale Familie und wir müssen uns bemühen, mit jedem in Frieden und Liebe umzugehen und zu leben, unabhängig davon, wer wen in der heutigen Konfrontation unterstützt. Es wird sehr traurig und schmerzhaft, wenn es zu heißen politischen Diskussionen auch in unserer Gemeinde kommt, die bald in Beleidigungen, Demütigungen und Hass auswachsen können. Der Herr bewahre uns davor!“ Und der Appell von Vladyka Longin an seine Gemeinde endet mit den Worten: „Diese Worte sende ich euch nicht als Beschuldigung sondern als Belehrung, weil wir füreinander eifrig beten müssen.“
Weil wir füreinander eifrig beten müssen!
Lieber Mitbruder und Mit-Zelebrant, im Namen der Orthodoxen Bischöfe und Priester dieses Landes rufe ich dir heute zu: Wir werden eifrig beten, dass Gott der Herr deine Seele dorthin versetze, wo die Gerechten ruhen, im Schoße Abrahams! Möge dein Gedenken ewig sein!
Zusammensetzung und Übersetzung: Subdiakon Nikolai Thon, bischöflicher Rat