Liebe Schwestern und Brüder!

Nun sind wir in der Heiligen und Hohen Woche gekommen!

Vor zwei Tagen haben wir den Herrn bejubelt als er in seine Stadt einzog. Wir legten unsere Kleider auf seinen Weg, begrüßten Ihn mit Freudenrufen und Palmzweigen. Wir riefen einander zu: „Bruder, Schwester, ich gratuliere dir zum Fest!“

Heute ist Hoher Dienstag.

In Jerusalem zur Zeit Jesu herrscht die fröhliche Aufregung wegen des jüdischen Pessachfestes an diesem Tag. In die Stadt sind Tausende Gäste aus aller Welt gekommen, die Stadt ist mit Energie und Bewegung gefüllt. Machen wir uns Gedanken über diese Tage, liebe Freunde…

Es gibt Ereignisse, die man einfach absagen oder verschieben kann auf später… Es gibt Dinge, auf die wir uns ruhig, ohne Eile und Hektik vorbereiten können. Aber immer(!) kommt die Zeit der Entscheidung. Das ist der Augenblick, nach dem ein Rücktritt nicht mehr möglich ist und unser angehobenes Bein den ersten Schritt machen muss. Und alles, was diesem Schritt folgt, wird sofort zur unvermeidlichen Realität. Diesen Schritt kann man nicht abbrechen, er muss gemacht werden!

Als der Herr in Jerusalem einzieht, weiß Er alles, was ihm geschehen wird! Er weiß, was geschehen muss, er weiß, was ihn erwartet. Er versteht, warum Er von den Menschen gehasst wird, denen zuliebe Er hierher kommt. Er weiß alles über seine Jünger, die heute mit Ihm sind. Er weiß ALLES!

Und wir fragen auf unsere menschliche Weise: wie konnte Er mit diesem Wissen in diese Stadt gehen? Wie kann man eine solche Entscheidung treffen? Was fühlt ein Mensch, der das wagt? Trotzdem ist ER in die Stadt Jerusalem eingezogen…

Morgen, am Hohen Mittwoch, erleben wir den Verrat Judas. Am Hohen Donnerstag werden wir zu Zeugen des Ereignisses der ersten Brotbrechung  und somit der Einsetzung des Mysteriums der Eucharistie auf der Erde. Wir sehen und erleben das Grauen des Gartens Gethsemane. Am Hohen Freitag werden wir Zeugen des schrecklichen Leidens des Erlösers, seines furchtbaren Sterbens!

Wir wissen das alles und gratulieren einander zu diesem Fest?!

Ja, meine Lieben, wir gratulieren einander eben! Und es ist richtig! Weil die Auferstehung Christi bevorsteht: der Sieg über den Tod, die Rettung der Menschheit, das Ende der Alten Welt und die Geburt der Neuen Welt – des Neuen Bundes zwischen Gott und Mensch!

Nur wenn das alles uns bewusst ist, können wir einander zum Fest des Einzugs des Herrn in Jerusalem gratulieren.

Aber heute ist noch Dienstag…

 

Liebe Brüder und Schwestern,

wir haben noch ein bisschen Zeit, uns auf die Auferstehung des Herrn vorzubereiten. Es dauert nicht mehr lange – nur wenige Tage. Wollen wir sie nicht vertrödeln, nicht verpassen!

Diese Große Fastenzeit ist einmalig!

Unruhen und Sorgen der letzten Wochen haben vielen von uns die gewöhnliche Stabilität geraubt. Für viele wurde „der geschlossene Raum“ des eigenen Heims unerträglich, etliche kämpfen mit bösen Vorahnungen  verschiedener Gefahren, andere sind durch die sich in der Welt verbreitende Krankheit zu Recht besorgt. Vieles ist unklar geworden: Wie muss man in solcher Situation leben? Wo findet man den festen Boden unter seinen Füssen wieder? Als Folge davon haben wir uns in die Suche nach irgendeiner Klarheit gestürzt. Der Drang, sich von der Unklarheit zu befreien, stieß viele von uns in eine permanente nervöse Suche nach neuer Information über die Lage im Land und in der Stadt. Und diese Information ließ nicht lange auf sich warten – ihre Welle überrollte uns tatsächlich!!!

Da sind Nachrichten, Texte, Botschaften von Starzen, erschreckende Prophezeihungen durch nicht belegte pseudo-analytische Artikel!  Die Bandbreite dieser Informationsfluten ist groß – von in Erstarrung bringendem Grauen bis zu absolut leichtsinnigem und unverantwortlichem Zweifel am  Geschehen in der Welt. Vom Breittreten von Todesbildern bis zu komplettem Ablehnen der Existenz des Virus. Dabei werden Bedeutungen völlig vertauscht und Menschen werden in einen Zustand getrieben, der einer Hypnose ähnlich ist. Eine Hypnose, die durch „Betrachtung“ apokalyptischer Bilder verursacht ist, welche sich unseren Augen angeblich öffnen. Artikel, Chats in WhatsApp, unendliche Berufungen auf Starzen, den Heiligen Berg Athos, Klöster und so weiter.

Ich rufe Allen zu: hören wir damit auf! Steigen wir aus dieser „Flut“ wieder auf „festen Boden“! Stellen wir es ein, diese Hirngespinste mit unserer Achtung und unseren Lebenskräften zu füttern!

Uns wurde eine neue andere Fastenzeit gegeben – eine Zeit der Stille, des Nachdenkens, der Konzentration, des Gebets und der DEMUT! Wir konnten diese Zeit so verbringen, wie es der heutigen Situation entspricht. Wir haben die Möglichkeit gehabt, etwas Neues über Gott, uns selbst und das Leben in der Stille unserer Gebetszelle zu erfahren. Haben wir diese Chance genutzt? Ich denke und hoffe, dass es vielen von uns gelungen ist. Und den anderen?

Liebe Brüder und Schwestern!

Unabhängig davon, wie treu wir gefastet haben, was wir für unsere eigene Erfahrung gesammelt und aufgenommen haben, wollen wir den Rest dieser Fastenzeit in Frieden, Gebet und Stille verbringen! Stoppen wir die Flut der Überreizung, die uns aus dem Gleichgewicht bringt! Kehren wir zu uns selbst zurück!

Vor allem wende ich mich nun an Moderatoren der Sozialgruppen bei WhatsApp.

Freunde, sperrt diese Flut der ungeprüften Informationen, die Menschen den inneren Frieden rauben. Machen wir eine „Pause“! Nehmen wir Abstand von allem diesen!

Christus ist in Jerusalem. Er geht langsam zum Kreuz, wodurch Er uns alle erlösen und erretten wird. UNS ALLE!

Konzentrieren wir uns auf Ereignisse der Heiligen Woche!

Es ist nicht zu spät! Wir haben nichts verschuldet. Wir sind nicht allein gelassen, wir sind nicht bestrafft. Wir sind (unfassbar!) GELIEBT!

Wir haben uns nur ein wenig „abgelenkt“.

Wir verstummen. Das Evangelium ist die einzige Stimme, die in diesen Tagen erklingen darf! Hören wir auf sie!

Die Liebe ist hier, auf der Erde, mit uns. Sie schreitet heute zum Ort Ihres Todes, zu jenem Ort, von dem die Erlösung uns wieder und wieder gewährt  wird.

Denken wir immer an den Preis dieser unserer Erlösung!

Es ist noch nicht zu spät.

Heute ist erst der Hohe und Große Dienstag…

 

Ihr

Priester Mihails Holmeckis