Geliebte Brüder und Schwestern im Herrn, liebe Gläubigen, treue Kinder der Heiligen Russischen Orthodoxen Kirche.
Friede und das Segen Gottes seien mit euch!
Innerhalb vieler Jahrhunderte verteidigte die Orthodoxe Rus‘ nicht nur ihren Glauben sondern auch die Einheit ihres Landes. Wie viel unschuldiges Blut wurde in ihrer Geschichte vergossen. Die Rus‘ überstand die Eroberung durch die Mongolen und Tataren, durch die polnischen und lettischen Truppen, die französische Intervention sowie die beiden Weltkriege. Der orthodoxe Glaube – der Apostelglaube – vereinigte und verbündete unsere gemeinsamen Vorfahren. Leider hat Gott uns allen eine neue Prüfung geschickt: Er hat den Brudermord und das Blutvergießen zugelassen, das das slawische Volk spaltet.
Selbstverständlich haben wir alle das Recht, unsere eigenen politischen Meinungen und Sympathien zu einem oder anderem Oberhaupt unserer Länder zu haben. Trotzdem dürfen wir denjenigen nicht verachten, der einer anderen Ansicht ist, ganz zu schweigen davon, die Waffen gegen unsere Brüder und Schwestern zu erheben, die von Gott, wie auch wir selbst, erschaffen sind. Unsere Verwandten, Freunde und Bekannten leben auf einer und der anderen Seiten der Grenze und wir machen uns Sorgen um ihr Schicksal. Wir trauern mit ihnen zusammen, dass der Herr unseren Völkern diese Probe heute schickt, wobei nicht nur materielle und kulturelle Schätze vernichtet werden sondern auch die jahrhundertalten freundschaftlichen und brüderlichen Beziehungen zerfallen und wir einander fremd werden.
Brüder und Schwestern!
Unsere Gemeinde ist eine multinationale Familie und wir müssen uns bemühen, mit jedem in Frieden und Liebe umzugehen und zu leben, unabhängig davon, wer wen in der heutigen Konfrontation unterstützt. Es wird sehr traurig und schmerzhaft, wenn es zu heißen politischen Diskussionen auch in unserer Gemeinde kommt, die bald in Beleidigungen, Demütigungen und Hass auswachsen können. Der Herr, bewahre uns davor!
Gewähre uns, Gott, ein demütiges und liebesvolles Herz! Gewähre uns, Gott, vor allem auf unsere Sünden zu schauen! Gewähre uns, Gott, auch in diesen Ostertagen, die Worte des ehrwürdigen Ephräm des Syrers zu wiederholen: „Ja, Herr und König, lass mich meine eigenen Sünden erkennen und nicht meinen Bruder verurteilen…“
Für jeden von uns erduldete unser Herr das Leiden am Kreuz, weil Er die Liebe ist. Und wenn wir seine Nachfolger sind, werden wir unseren Nächsten lieben, da Christus sagt: „”Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst ” (Math. 22,39). Und wer seinen Nächsten hasst, der hasst sich selbst.
Diese Worte sende ich euch nicht als Beschuldigung sondern als Belehrung, weil wir für einander eifrig beten müssen.
Möge der Segen Gottes auf euch ruhen!
Christus ist wahrhaft auferstanden!
Euer unwürdiger Beter, demütiger Longin,
allsündiger Erzbischof von Klin
4. Mai 2014, Sonntag der Heiligen Myronträgerinnen