Am 20. April 2015 traf Seine Heiligkeit Patriarch Kirill von Moskau und der ganzen Rus‘ sich mit dem Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Rüdiger von Fritsch in der Patriarchenresidenz in Tschistyj Pereulok . Das Oberhaupt der diplomatischen Vertretung der Bundesrepublik in Moskau wurde beim Patriarchenbesuch vom Leiter des Kulturreferats der Botschaft Dr. Werner-Dieter Klucke begleitet.
Am Gespräch nahm der stellvertretende Vorsitzende des Außenamtes des Moskauer Patriarchats Archimandrit Filaret (Bulekov) teil.
Bei seiner Begrüßung betonte Patriarch Kirill, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche seit vielen Jahren die guten Beziehungen mit dem Volk und den Regierungen Deutschlands pflegt. Er hob dabei auch die wichtige Bedeutung der Kontakte der christlichen Gemeinden Russlands und Deutschlands für die Entwicklung der Beziehungen zwischen den beider Ländern hervor.
Die Geschichte der Beziehungen der Russisch-Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland zählt sechs Jahrzehnte, erinnerte Seine Heiligkeit. „Der Anfang war im Jahr 1952, als Pastor Martin Niemöller unser Land besuchte und danach unser Hierarch, Metropolit Nikolaj (Jaruschevitsch), nach Deutschland reiste. Dabei wurden die Kontakte hergestellt, die zu den sehr guten Ergebnissen führten. Nach diesem Austausch der Delegationen wurde beschlossen, einen ständigen theologischen Dialog zu beginnen“.
Der Dialog der Russisch-Orthodoxen Kirche mit der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte eine große Bedeutung für das Überwinden der Folgen des Zweiten Weltkrieges und der schweren Beziehungen, die zwischen den Ländern entstanden waren, so der Patriarch. „Pastor Niemöller, wie er später erzählt hatte, reiste mit großer Angst in die Sowjetunion. Aber als er die orthodoxen Kirchen dort besuchte und unser Volk sah, das selbstverständlich zu damaliger Zeit sehr trauerte, aber gar nicht böse mit den Vertretern von Deutschland war, machte das einen großen Eindruck auf ihn“, erinnerte sich der Patriarch.
Er bestätigte, dass der seit 60 Jahren bestehende Dialog den russischen Orthodoxen und den Deutschen geholfen hat, sich gegenseitig besser zu verstehen. Beim Gespräch wurden die Pläne erwähnt, eine nächste Sitzung in München im Herbst dieses Jahres zu veranstalten und sie dem 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges zu widmen.
„Trotz der heute bestehenden Schwierigkeiten, glaube ich, dass die beiden Völker ein sehr hohes Potenzial zur Entwicklung der bilateralen Beziehungen besitzen“, so der Patriarch. „Obwohl die zwei Kriege diese Beziehungen überschatteten, wird die lange Tradition der kulturellen und anderen Kontakte in der geschichtlichen Erinnerung unserer Völker gepflegt. Es scheint mir, dass wir weiter miteinander dort sprechen müssen, wo es möglich ist.“
„Seit Jahren ist das Forum „Petersburger Dialog“ eine dieser Plattformen des russisch-deutschen Dialogs. Seit 2007 gehört die Arbeitsgruppe „Kirchen in Europa“ zu seiner Struktur, und die Diskussionen innerhalb dieser Gruppe haben immer wieder viel Gutes gebracht“. Der Patriarch äußerte sein tiefes Bedauern darüber, dass die Arbeit in diesem Format in der letzten Zeit rasch verringert wurde.
Im Gespräch mit dem Botschafter sprach Seine Heiligkeit auch über das Thema „Diaspora“. Unterstrichen wurde, dass ca. 4 Mio. Menschen in Deutschland heute leben, die mit Russland verbunden sind. Viele von ihnen haben sich in die deutsche Gesellschaft gut integriert. Sie besuchen die Kirchen der Russisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland.
„Die Russisch-Orthodoxe Kirche bleibt die konsequente Befürworterin der Entwicklung der guten Beziehungen zwischen Deutschland und Russland“, betonte der Patriarch. „Diese Position wird nicht von der augenblicklichen Konjunktur bestimmt, sondern ist damit verbunden, wie wir die Geschichte und die Bedeutung der guten Beziehungen und der Partnerschaft unserer Völker verstehen. Ich bin tief überzeugt, dass diese Beziehungen eine Bedeutung nicht nur für die Völker der beiden Länder sondern für ganz Europa und die ganze Welt haben“.
Seinerseits dankte der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Russischen Föderation Rüdiger von Fritsch Seiner Heiligkeit Patriarch Kirill für den herzlichen Empfang und unterstrich dabei: „ Es ist mir eine große Ehre, heute hier zu sein.“
„Ich bin Vertreter des Staates, aber ich kann mir kaum mein Land ohne christliche Wurzeln vorstellen. Wie Sie ganz recht bemerkt haben, ist das Christentum das, was uns in der Vergangenheit verbunden hat, was uns heute verbindet, wenn wir auf Schwierigkeiten stoßen, – das, was unsere gemeinsamen christlichen Wurzeln sind. Die Christen in unserem Staat spielen nämlich eine große Rolle, wenn es darum geht, den Frieden zu fördern. Sie haben sehr richtig darauf hingewiesen, welche große Rolle die Kirche bei der Versöhnung nach dem von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg spielte, als die Deutschen solche schrecklichen Leiden dem Volk der Sowjetunion zugefügt hatten“.
Nach seiner Meinung haben die christlichen Gemeinden der beiden Länder in der Zeit des Kalten Krieges gezeigt, „welche große Rolle sie spielen, wenn eine Stille, wie es scheinen mag, in der Politik herrscht“. Beide Seiten erwähnten, dass die moderne Welt vor so vielen gefährlichen Herausforderungen steht, dass die Christen ihr Zeugnis gegenüber der Gesellschaft heute erneut überdenken müssen.
Der deutsche Botschafter hob die Bedeutung solcher Formate der Besprechungen und Kontakte wie den Petersburger Dialog, insbesondere, die dazu gehörende Arbeitsgruppe „Kirchen in Europa“ hervor. Er erwähnte auch die zwischenkonfessionellen Dialoge. „ Ich habe die katholische Bischofskonferenz in Deutschland über das bevorstehende Gespräch mit Ihnen informiert und dies wurde sehr positiv angenommen“, sagte der deutsche Diplomat zu Seiner Heiligkeit.
„Viele Menschen mit russischen Wurzeln leben in Deutschland und ich gehöre auch zu ihnen“ behauptete der Botschafter und erzählte dem Patriarchen über seinen Urgroßvater, der ein Lutheraner war und im Russischen Kaiserreich lebte. „ Das demonstriert nochmals die Geschichte der Toleranz dieses großen Landes“. Er betonte dabei auch, dass eine sehr große Anzahl der orthodoxen Christen heutzutage in Deutschland leben.
Anschließend wurden die Erinnerungsgeschenke ausgetauscht.

Informationsdienst des Außenamtes des Moskauer Patriarchats/www. patriarchia.ru